An Interview with Inga Schiffler, the GLD’s Distinguished Speaker at ATA65

Foto: Ralf Masorat

Immer offen und neugierig bleiben

Inga Schiffler ist ein Multitalent. Sie ist freiberufliche Dolmetscherin, Übersetzerin, Texterin und Trainerin für Leichte Sprache und Einfache Sprache. Auf der diesjährigen ATA-Konferenz in Portland, Oregon, wird sie gleich zwei Sessions zum Thema Leichte Sprache anbieten. Wir wollten bereits vorab etwas über das Thema und die Person Inga Schiffler erfahren.

Inga Schiffler im Gespräch Petra C. Rieker

GLD: Deine berufliche Tätigkeit ist sehr vielfältig und setzt sich aus mehreren, sich teilweise ergänzenden Fachgebieten zusammen. Wie hat deine berufliche Karriere begonnen? Kannst du uns ein paar Stationen entlang deines Karrierewegs skizzieren?

Inga Schiffler: Mit 19 Jahren bin ich nach Spanien ausgewandert und 14 Jahre dortgeblieben. In der ersten Zeit konnte ich kaum ein Wort Spanisch. Immer wieder stellte ich fest: Sprache kann verbinden, aber eben auch ausschließen. Das hat mich geprägt. Mein Motor ist seitdem: Ich möchte über Sprache Teilhabe ermöglichen und Brücken schlagen zwischen Menschen, die sich sonst nicht austauschen können.

Die nächsten Schritte waren eine Fachausbildung im Dolmetschen in die spanische Gebärdensprache in Granada, gefolgt von einem Bachelorstudium im Übersetzen und Dolmetschen in Salamanca. Danach kam ein Master in Translation an der Uni Mainz, Campus Germersheim. Im Masterstudium habe ich dann über ein Seminar die Leichte und Einfache Sprache entdeckt und meine Traumnische gefunden …

GLD: Wie sieht bei dir ein typischer Arbeitstag aus, wenn es denn einen gibt?

Inga Schiffler: Dolmetschen, übersetzen und Schulungen machen jeweils etwa ein Drittel meiner Tätigkeit aus. Seit der Pandemie arbeite ich vor allem von meinem Schreibtisch aus – denn auch viele meiner Einsätze als Dolmetscherin und die meisten Schulungen sind heutzutage online. Da es aber nur etwa zehn bis 15 Dolmetscherinnen für Leichte Sprache gibt, bin ich auch im gesamten D-A-CH-Raum unterwegs. Diese Mischung aus der Arbeit „im stillen Kämmerlein“ und dem Herumreisen finde ich ideal.

Foto: Ralf Masorat

GLD: Du bist in diesem Jahr mit zwei Sessions auf der ATA65 präsent. Beide Sessions drehen sich um das Thema Leichte Sprache. Was versteht man darunter und wie grenzt sich diese von der Einfachen Sprache ab?

Inga Schiffler: Leichte Sprache hat sich aus der Forderung von Menschen mit Lernschwierigkeiten nach verständlichen Informationen, aus der Praxis heraus entwickelt. Man kann sie auch als Teilhabekonzept für eine klare Zielgruppe bezeichnen. Mittlerweile ist sie in Deutschland auch gesetzlich als Weg zu mehr sprachlicher Barrierefreiheit anerkannt. Oft wird Leichte Sprache auch über bestimmte sprachliche Regeln definiert.

Einfache Sprache hat eine breitere Zielgruppe und weniger starre Vorgaben. In der Vergangenheit richteten sich Texte oft an Deutschlernende oder Menschen, die nicht gut lesen können. Mittlerweile richten sich Texte in Einfacher Sprache auch oft an „alle Bürger*innen“, ist also eine Form der Expert*innen-Lai*innen-Kommunikation.

GLD: Wie wirkt sich deiner Meinung nach das Konzept der Einfachen Sprache auf das Berufsbild Übersetzer*in aus? Ist die Leichte Sprache, wie im Titel deiner Sessions angedeutet, ein Nischenmarkt für Übersetzer*innen? Bietet sie Übersetzer*innen die Chance, sich in einem durch KI veränderten Arbeitsumfeld neu zu orientieren?

Inga Schiffler: Na ja, die KI macht auch vor der Leichten und Einfachen Sprache nicht Halt. Anders als bei fremdsprachlichen Texten geht es bei Leichter Sprache aber niemals „nur“ um einen Text, sondern immer um ein Gesamtkonzept aus Sprache, Inhalt und Form. Nur, wenn ein Text auch genutzt werden kann, ist er wirklich verständlich. Das erfordert viel Beratung und individuelle Auslegungen. Zudem kann fast nie einfach linear übersetzt werden. Stattdessen müssen wir Erklärungen hinzufügen und Texte oft völlig anders strukturieren. Kein Auftrag ist dabei gleich. All dies kann künstliche Intelligenz nicht ersetzen.

Kurzum: Leichte und Einfache Sprache ist ein sehr dynamisches und spannendes Berufsfeld. Dazu steigt die Nachfrage stetig. Und: Übersetzer*innen bringen bereits viel sprachliche Expertise mit, um sich hierauf zu spezialisieren.

GLD: Beide Sessions von Exploring „Leichte Sprache“: A Niche for Language Specialists finden am Samstagmorgen statt. Was erwartet die Teilnehmer in Part I (126) und was in Part II (141)? Bauen die beiden Teile aufeinander auf oder kann man sie auch unabhängig voneinander besuchen?

Inga Schiffler: Beides ist richtig: Part I und II bauen aufeinander auf, können aber auch unabhängig voneinander besucht werden:

Im ersten Teil gebe ich eine Übersicht. Ich zeige auf, wie sich die Leichte Sprache von einem intuitiv aus der Praxis entstandenen Teilhabekonzept hin zu einem zunehmend professionalisierten Phänomen entwickelt hat – mit rechtlicher Verankerung und zunehmend wissenschaftlicher Fundierung.

Im zweiten Teil gebe ich Einblicke in meinen Berufsalltag und spreche über Besonderheiten des intralingualen Übersetzens und Dolmetschens. Dazu gibt es Tipps zur Weiterbildung.

GLD: Das hört sich super interessant an. Noch eine letzte Frage: Wenn dir, neben all den Herausforderungen des Arbeitsalltags, noch Zeit bleibt, womit verbringst du diese dann am liebsten?

Inga Schiffler: Ich reise beruflich recht viel herum. Das tue ich sehr gern. Aber ich freue mich auch immer, wenn ich zuhause in meinem beschaulichen Dorf in Schleswig-Holstein bin. Jeden Morgen bringe ich meine Tochter in die Kita gegenüber und gehe danach eine Runde in den Wald. Diese Routine ist mir total wichtig. Dabei wird mein Kopf klar und ich bekomme Lust auf einen neuen Tag am Schreibtisch.

GLD: Viel Spaß und Erfolg auf der ATA65 und vielen Dank für das Gespräch.