On Tour in Leipzig: Jahresworkshop 2024 der GLD Members in Europe wieder ein voller Erfolg

Rund 30 Kolleg:innen folgten der Einladung der ATA German Language Division nach Leipzig, darunter einige neue und viele bekannte Gesichter. Auch Fakultätsangehörige und Studierende der Universität Leipzig waren mit an Bord. Das Programm klang verheißungsvoll …

Freitag, 02.02.2024

Willkommener Icebreaker war wie immer ein geführter Stadtrundgang (siehe Foto unten). Unser Guide geleitete uns mit viel Verve durch die geschichtsträchtigsten Orte der Kultur- und Wissenschaftsmetropole Leipzig – zeitweilige Wirkungsstätte unzähliger Nobelpreisträger und führender Köpfe der Musikwelt, Frauenrechtsbewegung, Literatur (Goethe!) und Wissenschaft. Beim anschließenden Networking Dinner in gelöster Stimmung wurden munter Erfahrungen ausgetauscht, alte Freundschaften aufgefrischt und neue geknüpft.

Samstag, 03.02.2024

Eröffnet wurde das offizielle Programm mit einem Grußwort von Oliver Czulo von der Universität Leipzig sowie von Dave Panetti vom örtlichen US-Konsulat. European Coordinator Ellen Yutzy Glebe und GLD Administrator Karen Leube rundeten die Einführung ab.

Nun zu den mit Spannung erwarteten Fachvorträgen: Danjela Brückners gekonnte Vorstellung des Projektes Teaming in Translation Gesundheitsberufe und Dolmetschen der Universität Leipzig ließ bestimmt nicht nur mein Herz höherschlagen. Im interdisziplinären Projekt „TeamTra“ üben angehende Mediziner:innen, Hebammen und Dolmetscher:innen der Universität Leipzig gemeinsam berufsnahe Situationen rund um Schwangerschaft und Geburt, damit fremdsprachige Patient:innen im Gesundheitswesen künftig bestmöglich versorgt werden. Eine ausgezeichnete Initiative, die hoffentlich viele Nachahmer findet. Im Anschluss wurde auch über die Notwendigkeit einer Kostenübernahme von Dolmetschleistungen im Gesundheitswesen durch die Krankenkassen diskutiert. Dolmetschen als Kassenleistung? Ja, bitte!

„Dolmetschen als Kassenleistung? Ja, bitte!

Es folgte – nach der ersten von vielen Networking-Kaffeepausen – Susanne Triesch, ebenfalls von der Universität Leipzig, mit ihrem Vortrag Pragmatische Frames als Beschreibungsmodell für Funktionen sprachlicher Ausdrücke – am Beispiel von „bekanntlich“. Im Vortrag wird aus einem laufenden Promotionsprojekt berichtet, das funktionale Translationswissenschaft, kognitive Linguistik und Pragmatik verbindet. Es werden pragmatische Frames als Anwendung der Framesemantik nach Fillmore auf den Bereich der Pragmatik vorgestellt und gezeigt, wie damit Sprachgebrauchswissen systematisch repräsentiert werden kann: Was tun wir, wenn wir „bekanntlich“ sagen? Der Vortrag schlug ein: „Bekanntlich“ wurde im weiteren Verlauf des Workshops zum geflügelten Wort 😊

Kerstin Gackle von der Universität Leipzig rundete den Vormittag ab mit ihrem hochinteressanten Vortrag Strategies for Translating from German to English. Sie bezog sich unter anderem auf ihren Workshop Leave the Denglisch Behind: Translation and Writing Strategies. Dort ermuntert sie Lernende, statt auf ihr Bauchgefühl zu hören, auf einen Handwerkskasten mit 15 konkreten Übersetzungsstrategien zurückzugreifen. Sehr empfehlenswert!

Nach dem Mittagessen stellte Martin Pätzung vom Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland e.V. (VGSD) die Geschichte hinter dem Verband und einige Aspekte aus dessen vielfältiger (Lobby)Arbeit für die Interessen von Selbstständigen im „Angestelltenland Deutschland“ vor.

Down to business: Professional Forum

Wer die ATA-Konferenz in Miami verpasst hatte, konnte sich in Leipzig auf Karen Leubes und Robin Limmeroths Neuauflage des Diskussionsformats Professional Forum: Keeping Up with the Evolving DE<>EN Translation and Interpreting Market freuen. In Kleingruppen diskutierten wir sehr spezifische Fragen rund um unsere individuelle Geschäftslage, Strategie und mögliche Neuausrichtung – und wie uns die GLD konkret unterstützen kann.

Das Forum war sehr lehrreich und interaktiv. Durch die Aufteilung der Teilnehmer in Kleingruppen hatte jede Person genug Redezeit und Gelegenheit zum Austausch. Gleichzeitig konnte man sich in kollegialer Atmosphäre einen realistischen Überblick über die Situation unseres Berufsstands als Ganzes verschaffen. Hier der Link zur Präsentation in Miami: https://ata-divisions.org/GLD/wp-content/uploads/GLD-Professional-Forum-slides.pdf

Karen hat im Dezember 2023 einen Blog-Post verfasst, der auch einen Link zur Präsentation in Miami enthält: https://ata-divisions.org/GLD/gld-professional-forum-keeping-up-with-the-evolving-deen-ti-market-outcomes/.

Abends ging es in Auerbachs Keller

Auerbachs Keller ist die bekannteste und zweitälteste Gaststätte Leipzigs. Schon im 16. Jahrhundert war sie ein beliebtes Weinlokal. Seine weltweite Bekanntheit verdankt Auerbachs Keller vor allem Johann Wolfgang von Goethe durch die gleichnamige Szene in seinem Faust. Auch Martin Luther war hier zu Gast. (Quelle: Wikipedia)

Sonntag, 04.02.2024

Was unterscheidet Mensch und Maschine? Auf welchem Feld hat Humanübersetzung im „Wettlauf“ mit NMT und GenAI die Nase vorn? Kreativität lautet das Zauberwort. Kreativität ist allen Menschen in die Wiege gelegt. Was wir im Erwachsenenleben daraus machen, bleibt uns überlassen. Jedenfalls, so GLD Assistant Administrator Robin Limmeroth in ihrem interaktiven, äußerst unterhaltsamen Vortrag Creativity Training, macht auch hier Übung den Meister.

Robin ließ uns einige unterhaltsame – und gleichzeitig wissenschaftlich untermauerte – Kreativitätsübungen durchführen. „Finish the story…“ ist eines von vielen Beispielen, wie viel Spaß ein spielerischer Umgang mit Kreativität machen kann. Wir ließen einen Notizblock im Raum rumgehen und verfassten Satz für Satz eine Geschichte. Den Anfang machte „Mustard Jack was hungry“, und jeder von uns dachte sich im Stillen eine Fortsetzung aus und gab den Block anschließend weiter. Am Ende wurde unser Opus magnum vor versammelter Runde vorgelesen und sorgte für viel Gelächter.

Mustard Jack was hungry. He had been on the train four hours on his way to be a contestant on Jeopardy. And so he ordered a plate of ostrich at the onboard restaurant, but sadly they had just run out. At that moment, Relish Jane entered the restaurant. Mustard Jack looked up, thought he recognized her for a moment, then looked back down at the menu, hoping to find something similar to ostrich. “Excuse me, is this seat taken?”, a screeching voice penetrated his thoughts.

He immediately recognized Ketchup Kate, his high school sweetheart. The train ground to a halt. Someone let out a piercing scream. He went for a hot dog, without mustard, because he didn’t like mustard. Suddenly, the whole train vanished and he found himself all alone in a wide street. He got aware that he was half naked, not wearing his pants anymore.

Every storefront was smeared with mustard, the drains were bubbling loudly with liquid mustardy ooze. Relish Jane and Ketchup Kate spotted each other and shouted with joy, “It’s you!” Mustard Jack shrank back behind the table, in embarrassment about his bare bottom. Mustard Jack immediately started thinking of an exit strategy.

At that moment, he heard the door slam open, and at the doorframe stood Mayonnaise Mackleroy. And he suddenly realized he was pantless! Was this a dream or a nightmare?! Mayonnaise Mackleroy approached him with a grin on his face. Mustard Jack punched him smack dab in the middle of his grinning face and ran away.

Anschließend hatten wir die Qual der Wahl zwischen zwei Teilgruppenvorträgen:

  1. Johanna Klemm hielt ihren Vortrag The new kid on the block: First experiences with GenAI in translation.
  2. Matt Baird präsentierte Making More Sense … of phrases we love to hate. 

Zu 1.:    Johanna Klemm ging detailliert darauf ein, wie sich GenAI in eine CAT-Umgebung einbinden lässt und stellte auch Tools jenseits der traditionellen CAT-Platzhirsche vor. Mit konkreten Anwendungsszenarien und mutmachenden Beispielen riss Johanna die Teilnehmer phasenweise regelrecht vom Stuhl. Die anschließende lebhafte Diskussion brachte ans Licht, dass viele unserer Kunden auf dem Weg in diese schöne neue Welt des Übersetzens mit GenAI noch mitgenommen werden müssen.

Nun zur Gretchenfrage: Wie können wir GenAI konkret in unsere Arbeitsumgebung integrieren? Gezeigt wurden unter anderem neue CAT-Tools wie Wordscope und Bureau Works. Nicht zu vergessen ist auch der KI-Schreibassistent DeepL Write.

Was wir von der Sitzung mitgenommen haben? Optimismus, konkrete Anwendungsbeispiele, strategischen Input. Vielen Dank dafür, Johanna!

Zu 2.:    Matt Baird widmete seinen Vortrag der Suche nach kreativen Lösungen für Marketingübersetzungen. Er ging auf allseits gefürchtete „Perlen“ des deutschen Wortschatzes ein, die bei der Übersetzung ins Englische nach eleganten Lösungen verlangen, wie z. B.

  • im Sinne von
  • in Kombination mit
  • aus der Praxis
  • klar erkennbar

Speziell Marketingtexte müssen den Leser auf besondere Weise ansprechen. Holzschnittartige, etwas verstaubt wirkende Lösungen, wie sie auch von unseren digitalen Helferlein ausgespuckt werden, verfehlen hier ihren Zweck. Ziel war zu zeigen, wie wir uns unter Einsatz unserer Sinne als Humanübersetzer von der Maschine „klar erkennbar“ abheben können.

Nach einer weiteren, von angeregten Unterhaltungen geprägten Kaffeepause näherten wir uns dem Finale. Der letzte Vortrag des diesjährigen GLD-Workshops stand unter dem Zeichen der Betriebswirtschaft: Pricing for translators in the age of NMT and AI von Daniel Sebesta.

Daniel gab uns einen äußerst nützlichen Abriss der Aspekte, die bei der Preisfindung zu berücksichtigen sind – und (ganz wichtig!) welche nicht. Der außerordentlich lehrreiche Vortrag zeigte, wie wichtig eine sorgfältige Kalkulation und das Austarieren verschiedener Interessen sind. Professionelle Einkäufer greifen übrigens auf ganz ähnliche Überlegungen zurück. Wer Daniels Ausführungen berücksichtigt, schafft damit also für sich die Ausgangsbasis für Verhandlungen auf Augenhöhe.

Frisch inspiriert und mit neuem Optimismus machten sich die Teilnehmer:innen anschließend auf die Heimreise. Wir  danken dem Organisationsteam und hoffen auf viele Wiederholungen des GLD-Jahresworkshops!