Terminologierecherche: Pflichtübung bei der Informationsbeschaffung

Terminologierecherche: Pflichtübung bei der Informationsbeschaffung

by Bianca Blüchel

“Suchen, Sichten, Sichern” – auf diesen Ablauf verstehen sich die in diesem und zwei weiteren Artikeln vorgestellten, sehr preiswerten Windows-Programme optimal. Gerade wer sie in Verbindung mit seriösen Online-Quellen anzuwenden weiß, wird deutlich mehr Erfolg haben als mit „klassischen“ Suchmethoden.

Bianca Blüchel
Bianca Blüchel

Bei der Fülle an terminologischen Ressourcen, die heutzutage im Internet verfügbar sind, wird von Übersetzern ganz selbstverständlich erwartet, dass sie unbekannte Fachtermini gewissenhaft recherchieren und entsprechende Ergebnisse in die Übersetzung übernehmen. Nicht wenige Auftraggeber verlangen auch eine Dokumentation der Fundstellen. Den noch vor einem Jahrzehnt weit verbreiteten Luxus, unbekannte Terminologie lediglich als solche zu kennzeichnen oder als »Problemliste« zusammen mit der Übersetzung abzuliefern, kann sich heutzutage niemand mehr leisten, ohne Zweifel an der eigenen Professionalität aufkommen zu lassen.

Für die Terminologierecherche im Internet stehen unterschiedliche Quellen zur Verfügung. So kann beispielsweise auf enzyklopädische Sammlungen wie Wikipedia, auf mehrsprachige Datenbanken wie Electropedia, auf kommerzielle Angebote wie den Duden oder auf Textdatenbanken wie CORDIS zurückgegriffen werden (siehe auch https://www.termportal.de/eLearning/10_recherche.html).

Ideal dafür wäre ein Werkzeug, das Suchanfragen direkt aus der Textanwendung an eine oder mehrere Terminologiequellen übergibt, die Ergebnisse sofort zurückmeldet und nach Möglichkeit den Verlauf der Recherche dokumentiert. Zwar erfüllen viele der von Terminologie-Hostern kostenlos angebotenen Browser-Plugins und Suchwerkzeuge durchaus ihren Zweck, doch ist der ständige Wechsel zwischen Textanwendung und Browser bzw. Suchwerkzeug einem flüssigen und produktiven Arbeiten nicht gerade zuträglich. Außerdem kann mit jedem dieser Tools immer nur eine Terminologiesammlung durchsucht werden. So verheddert man sich schnell in der eigenen Tool-Sammlung und verliert leicht den Überblick. Abhilfe verspricht eine relativ neue Generation von Suchwerkzeugen, die als Bindeglied zwischen Textanwendung und Online-Datenbank fungieren und die Terminologiesuche flexible und elegant in die Textarbeit einfließen lassen.

Schlicht, schlank und ziemlich schlau

Stellvertretend für diese sehr preiswerten oder kostenlosen Softwareprodukte soll hier das Programm »Lexissimo« vorgestellt werden, das vom Übersetzerteam Armin

Mutscheller und Kollegen entwickelt und unter www.lexissimo.de vertrieben wird. Lexissimo ist auf allen halbwegs modernen Windows-PCs lauffähig. Auch auf 64-Bit-Systemen kann das Programm genutzt werden, nicht jedoch in echten 64-Bit-Anwendungen. Lexissimo macht sich nach der Installation als Programmsymbol im Infobereich der Windows Task-Leiste bemerkbar. Wie üblich führt ein Rechtsklick auf das Programmsymbol zu den Programmeinstellungen sowie zur Online-Hilfe und zur Registrierungsseite. Die wenigen, sehr schlicht gehaltenen Dialogfelder versprühen einen etwas spröden Charme und dürften wohl nur bei eingefleischten Pragmatikern auf sofortige Gegenliebe stoßen.

Die kostenlose Version beinhaltet sechs vordefinierte Suchquellen, die einen Eindruck von den Möglichkeiten des Programms vermitteln sollen: Die englische Wikipedia, The Free Dictionary (EN), LEO (EN-DE), Linguee (EN-DE), Google Online Search und Google Translate (DE-EN). In der aktuellen Version Lexissimo 2.6 lassen sich Suchergebnisse direkt an den Standardbrowser des Systems übergeben, auch kann aus beliebigen Anwendungen heraus in den Wörterbüchern einer lokal installierten Duden-Bibliothek gesucht werden. In der kostenpflichtigen Version für ca. 25 Euro können nahezu beliebige Suchquellen hinzugefügt und darüber hinaus Suchgruppen angelegt werden, die eine gleichzeitige Suche in mehreren fach- oder projektspezifischen Quellen ermöglichen.Computerprofis bietet die Vollversion zudem die Möglichkeit, eigene Skripte in VisualBasic oder Javascript einzubinden, um lokale Datenbanken durchsuchen zu können. Nach entsprechender Konfiguration können Suchanfragen in der kostenpflichtigen Version 2.6 an das Meta-Suchtool „Copernic Agent“ (www.copernic.com) weitergereicht und in diesem verwaltet und archiviert werden. Lexissimo beherrscht jetzt auch Unicode und ist somit auch für asiatische und andere nichtlateinische Zeichensysteme gerüstet.

Funktionsweise und Bedienung

Die Suchquellen, in denen Lexissimo nach Terminologie fahnden soll, werden mithilfe eines Assistenten in wenigen Schritten angelegt. Anschließend definiert der Anwender systemweit gültige Hotkeys oder Mausklick-Taste-Kombinationen, mit denen die jeweils zugeordnete Suchquelle aus der Textanwendung heraus abgefragt werden kann. Kollisionen mit programmspezifischen Hotkeys können durch Variieren der Tastenkombinationen mit hinreichender Sicherheit vermieden werden. Zum Ausführen der Suche wird das unbekannte Wort in der Textanwendung markiert und der Hotkey betätigt. Die Ergebnisse werden nahezu verzögerungsfrei in einem »Schiebefenster« eingeblendet, das sich vom Bildschirmrand her öffnet und die möglichen Übersetzungen in der gewohnten Aufmachung der abgefragten Website präsentiert. Über das Ergebnisfenster lassen sich die Übersetzungen per Kopieren und Einfügen oder durch Ziehen mit der Maus (sofern von der Zielanwendung unterstützt) in den zu übersetzenden Text übernehmen.

Besonders flexibel lassen sich Suchanfragen in Lexissimo über ein spezielles Menü ausführen, das per Mausklick in Kombination mit einer gedrückt gehaltenen Taste eingeblendet wird und eine Liste der vom Anwender definierten Suchquellen enthält. Durch Klicken auf die gewünschte Suchquelle wird diese abgefragt und das Ergebnis wie vorstehend beschrieben angezeigt. Zum Anzeigen der Suchergebnisse kann wahlweise auch der Standard-Web-Browser des Systems verwendet werden. Diese Option sorgt gleichzeitig dafür, dass sämtliche Suchvorgänge in der Chronik des Browsers gespeichert bleiben und bei Bedarf nachverfolgt oder dokumentiert werden können.

Auch das Ergebnisfenster von Lexissimo enthält als »Kurzzeitgedächtnis« eine Chronik der letzten 20 Suchabfragen, die sich in Form von Registern am oberen Bildschirmrand präsentiert. Das Ergebnisfenster verhält sich im Prinzip wie ein Web-Browser, lässt also die Weiterverfolgung der angezeigten Links zu.

Eine automatische Extraktion der Terminologie aus der Ergebnisseite wäre zwar technisch möglich, doch leider verbietet sich dieses i-Tüpfelchen aufgrund der Nutzungsbedingungen der kommerziell ausgerichteten Terminologie-Hoster. Deren kostenlose Angebote finanzieren sich nämlich durch Werbe-Einblendungen, und jedes Herausfiltern dieser Werbung würde zweifellos die Rechtsabteilungen der Hoster auf den Plan rufen. Wobei es natürlich jedem Anwender unbenommen bleibt, störende Werbeinhalte durch Verändern der Fenstergröße außen vor zu lassen.

Universalschnittstelle zur Fundgrube Internet

Alleine schon die Möglichkeit, per Tastendruck oder Mausklick aus der Textanwendung oder einem Translation-Memory-System heraus ohne spürbaren Zeitverlust Terminologie nachschlagen zu können, bedeutet einen immensen Produktivitätszuwachs. Dadurch ist zwar noch nichts über die Qualität der Ergebnisse gesagt, in hohem Maße inspirierend sind diese aber allemal. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich Lexissimo zudem als kleiner Tausendsassa, der weitere reizvolle Verwendungsmöglichkeiten bietet. So ist es möglich, ganze Sätze an Google Translate zu übergeben und sich von den maschinell erbrachten Übersetzungsergebnissen dieses Online-Dienstes zumindest anregen zu lassen. Wer Google Desktop Search auf seinem System installiert hat, kann Lexissimo auch für die Suche nach Text auf der lokalen Festplatte verwenden. Hierzu muss lediglich Google Desktop Search als Suchquelle definiert werden – das Suchverfahren in Lexissimo unterscheidet sich durch nichts von einer Online-Suche.

Lexissimo bietet sich als »Universalschnittstelle« zu beliebigen Webseiten mit Suchformularen an. Seine Einsatzmöglichkeiten beschränken sich also keineswegs auf Online-Glossare. Auch öffentliche und firmeninterne Wikis, Produkt- und Support-Datenbanken, Kataloge und sonstige Verzeichnisse jeglicher Art können von Lexissimo abgefragt werden. Bei Kenntnis der Anmeldedaten stellen auch durch Benutzername und Kennwort geschützte Inhalte kein Hindernis dar.

Da sich Lexissimo für die Darstellung der Ergebnisse der Browser-Engine des Microsoft Internet Explorers (IE) bedient, stehen im Ergebnisfenster auch alle Kontextmenüeinträge des IE zur Verfügung. Somit kann ein Suchergebnis über Plugins, die im Kontextmenü des IE mit eigenen Befehlen vertreten sind, direkt aus dem Ergebnisfenster heraus an andere Programme übergeben werden. Für die langfristige Speicherung und Weiterverarbeitung können die gefundenen Daten beispielsweise an Microsoft Excel und mehr oder minder bekannte Tools wie »Web-Recherche«, »Evernote« oder »Copernic Agent« übergeben werden.

Verwandtschaftsverhältnisse

Lexissimo ist ein relativ junger Vertreter seiner Art. Es hat auch einen »Zwillingsbruder« namens ARCO (www.arco-lookup.com), der als zusätzliche Funktion systemweite Konkordanzsuchen in Translation-Memory-Dateien aus SDL Trados Studio 2009 ermöglicht.

Ähnliche Möglichkeiten wie Lexissimo bieten unter anderem die kostenlosen Programme »MultiFultor«, »IntelliWebSearch« und »APSIC XBench«. Diese enthalten teilweise etwas ausgefeiltere Konfigurationsmöglichkeiten und sind hübscher anzusehen, fügen sich jedoch nicht ganz so unauffällig in den Arbeitsfluss ein wie Lexissimo und lassen auch viel von dessen Bedienfreundlichkeit vermissen.

Quelle: Infoblatt 3/2011 des ADÜ Nord. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung seitens der Autorin und ADÜ Nord, Deutschland, denen wir herzlich für diesen Beitrag danken. Visit ADÜ Nord online at www.adue-nord.de.

Bianca Blüchel ist seit 1984 Diplom-Übersetzerin und seit 1993 freiberuflich tätig. Sie war Lehrbeauftragte für Wirtschaftsenglisch an der Universität Mannheim und Lehrbeauftragte für Wirtschaftsfachübersetzen an der Universität des Saarlandes. Von 2006 bis 2009 konzipierte sie für die Graduate School Rhein-Neckar gGmbH (gemeinsame Einrichtung der Hochschulen Mannheim und Ludwigshafen sowie der Dualen Hochschule Mannheim) Fachseminare für Sprachmittler zu technischen, naturwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Themen. Seit Oktober 2009 ist eine der Referentinnen für Weiterbildung im BDÜ-Landesverband Baden-Württemberg.